Mit Bauthemen beschäftige ich mich seit vielen Jahren. Den einen oder anderen Artikel hierzu habe ich in meinem Blog schon früher veröffentlicht. So z.B. einen Artikel über Schlaglöcher (Straßengolf in Neapel), der Hinweis auf das Oldenburger Rohrleitungsforum (Ausflug nach Oldenburg) oder auch einige Texte zum Thema Storytelling in der Baubranche, wie z.B. den Artikel „Ich, die Fliese“ und den Artikel über Lisa, die Neue (Moderne Technik mal anders).
Der aktuelle Artikel hatte einen anderen Auslöser. Es waren nicht meine Auftragsthemen, es waren auch nicht die bekannten Ewig-Baustellen in Berlin, Hamburg oder Stuttgart. Der konkrete Anlass war persönliche Betroffenheit.
Eines schönen Tages nämlich schaue ich durchs Fenster und sehe wie Passanten auf der Straße stehen bleiben, heftig diskutieren und mit dem Finger auf unser Haus zeigen. Ich trete vor die Tür, um zu überprüfen, was da an unserer Hausfassade so spannend sei. Und da sehe ich die Bescherung: Grüne Flammen züngeln die Hauswand empor. Über die gesamte West- und Ost-Fassade des Gebäudes ziehen sich grüne Zick-zack-Muster. Ich raufe mir die Haare und starre fassungslos auf die verfärbte Wand.
Die Suche nach der Ursache
Was ist das, woher kommt das, wer hat daran Schuld? Vandalismus? Ein Materialfehler? Die Recherche beginnt. Aus den alten Bauunterlagen ermittele ich die seinerzeit beim Bau und bei der Sanierung beteiligten Firmen. Ich befrage zwei Stuckateure, zwei Malerbetriebe, die Putz-Herstellerfirma, einen Bauingenieur, einen Umweltingenieur, ein Unternehmen für Bausanierungen und eine Fachfirma für Schimmelprobleme. Ich suche auf den Webseiten des Fraunhofer-Informationszentrums Raum und Bau und befrage Google.
Wir haben Glück: Das Haus ist grün – und nicht rot!
Das Ergebnis der Suche und Befragungen ist eindeutig: Es handelt sich um Algenbewuchs. Die weniger eindeutige Antwort betrifft die weitere Vorgehensweise.
Der eine Stuckateur empfiehlt einen neuen Putz, der andere Stuckateur und die Malerbetriebe einen neuen Anstrich, die Putz-Herstellerfirma sagt, man müsse die Bepflanzung rund ums Haus entfernen, der Bauingenieur sagt, es sei ein weit verbreitetes Phänomen, der Umweltingenieur will es im Detail untersuchen und die Schimmelfirma erklärt, es sei kein Schimmel, sondern Algen. Ein weiterer Baufachmann meint, wir hätten Glück, dass es nur grüne und nicht rote Algen seien. Es folgen mehrere deftige Kostenvoranschläge.
Das Haus wird in der Zwischenzeit grüner und grüner. Es ist mittlerweile Oktober. Und dann – oh Wunder – verschwindet plötzlich die grüne Farbe und weicht einem schmutzigen Grau. Wir vertagen die Aktion auf das Folgejahr und beten, es möge ganz verschwinden.
WDVS: Wärmedämm-Verbundsysteme – Gut für Algen!
Pünktlich zum Frühjahrsbeginn ist alles wieder da. Zunächst sieht es so aus, als sitze die grüne Farbe tief im Putz. Bei der Betrachtung unter der Lupe und beim Check mit einem Messer wird deutlich: Es ist eine Verfärbung auf der Oberfläche. Das Interview mit den Ingenieuren bringt die „beruhigende“ Information, viele Gebäude in ganz Deutschland hätten dieses Problem. Es gebe allerdings eine Häufung bei Häusern mit Wärmedämm-Verbundsystemen. Die Außendämmung von Hausfassaden mit Dämmplatten war eine in den 90er Jahren übliche und effektive Dämmpraxis, um Heizenergie zu sparen.
Nun kenne ich als Frau Algen natürlich aus der Diät- und Kosmetik-Industrie. Auf der Hausfassade halte ich Algen jedoch für fehl am Platz. Klar ist: Algen gedeihen dort, wo Licht, Wasser und Luft verfügbar sind. Je mehr davon da ist, desto besser wachsen sie. Das heißt also: Beschattung durch Bäume und Sträucher, fehlende Dachüberstände, hohe Schlagregenbelastung sorgen für langanhaltende Feuchtigkeit und damit für gutes Algenwachstum. Und ein Wärmedämm-Verbundsystem tut ein Übriges. Offensichtlich hält eine solche Fassade die Feuchtigkeit länger an der Oberfläche.
Unsere Maßnahmen gegen die Algen
Zunächst entfernen wir nun also die hausnahe Bepflanzung. Dann beauftragen wir den Malerfachbetrieb. Das Haus wird eingerüstet und dann geht es los: Säubern der alten Fassade mit einem Hochdruckreiniger, Auftragen eines Desinfektionsmittels, Neuanstrich mit einer Biozid-haltigen Farbe. Am Ende sieht es wieder aus wie neu. Bleibt die bange Frage, wie lange das anhalten wird. Eine Garantie will uns der Malermeister nicht geben. „Mit etwas Glück“, meint er, „haben Sie nun wieder 25 Jahre Ruhe.“ Bis es dann vielleicht wieder heißt: Es grünt so grün an der Fassade.